Bin ich für eine Direktadoption aus dem Ausland geeignet?
- Jessica Goppelt
- 14. Juli 2023
- 4 Min. Lesezeit
Tierschutzhund. Direktadoption aus dem Ausland oder lieber von einem Tierheim hier oder einer Pflegestelle?

Dieses Thema kommt immer wieder zur Diskussion und das auch zu recht.
Ein Hund aus dem Tierschutz/Tierheim an sich, ist meist schon eine Aufgabe. Häufig kennt man die Vorgeschichte nicht und weiss nicht, was der Hund alles kennt und was er so erlebt hat.
Noch schwieriger wirds dann, wenn die Hunde aus dem Ausland kommen. Da weiss man dann oft wirklich nicht viel und gerade in anderen Ländern wird häufig nicht so gut mit den Hunden umgegangen.
Die Galgos aber vermutlich auch die meisten anderen Hunde in den Ländern, werden dort als Nutztiere gehalten und leben auch nicht mit im Haus.
Heisst, diese Hunde kennen meist das Leben im Haus nicht, kennen keine Treppen, keine rutschigen Böden, Möbel, Auto fahren, an der Leine laufen, zwischen Häuser durchlaufen, staubsaugen, andere Haushaltsgeräte, TV, kennen es nicht gestreichelt zu werden usw. Für sie ist alles komplett neu und oft gerne mal angsteinflösend und gruselig.
Das müssen sie dann alles erst langsam lernen und es ist unsere Aufgabe, ihnen das zu zeigen.
Das muss man sich bewusst sein, wenn man sich solch einen Hund holen möchte. Auch auf die Einschätzungen der Vereine, sollte man sich nicht zu 100% verlassen. Sie sehen die Hunde dort, in ihrem gewohnten Umfeld, zusammen mit anderen Hunden, draussen.
Da wir hier aber komplett andere Lebensumstände haben, wie sie zb in Spanien sind, kann der Hund dann hier auch ganz anders sein, als Beschrieben...siehe Mey
Ich mache den Vereinen da absolut keinen Vorwurf, sie können die Hunde ja nur so Beschreiben, wie sie bei ihnen sind aber man muss das wissen und darauf gefasst sein, dass es evt ganz anders sein wird als man sich das erhofft hatte.
Auch der Traum, dass der Hund kommt, alles perfekt läuft und der Hund einem sofort komplett vertraut und dankbar ist, trifft häufig nicht ein. Zumindest nicht sofort.
Gerade die Galgos sind häufig Menschen gegenüber sehr zurückhaltend bis ängstlich (auch panisch). Das liegt zum einen ein Stückweit an ihrer Art aber natürlich auch an ihrer Vorgeschichte. Häufig haben sie keine guten Erfahrungen mit Menschen oder vorallem Männern gemacht.
Da dauert es dann etwas, bis sie einem vertrauen, auch wenn wir ja nett zu ihnen sind und sie quasi gerettet haben. Die Hunde wissen das aber nicht, für sie sind auch wir erstmal einfach nur Menschen. Menschen wie die, die sie vielleicht vor einiger Zeit noch geschlagen und/oder angeschrien haben.
Auch das sie teils nur ihren Zwinger kennen, kann zu Problemen führen im neuen zu Hause. Das sind dann so viele neue Eindrücke, die den Hund völlig überfordern können.
Desshalb macht es für einige evt mehr Sinn, sich für einen Hund zu entscheiden, der schon hier ist, im Tierheim oder auf einer Pflegestelle. Den man dann auch mal besuchen und kennenlernen kann. Zudem kann die Pflegestelle berichten, wie der Hund hier so ist, wie er sich entwickelt und er konnte bereits das Leben im Haus ect kennenlernen.
Für die Hunde ist der ganze Transport (teils über 20h fahrt), das ankommen im neuen zu Hause, weg von all den Hundekumpels, zu fremden Menschen ein riesen Stress. Es braucht sehr viel Zeit, Liebe und Geduld.
Bis die Hunde so richtig richtig angekommen sind, dauert es gerne 1-2 Jahre. Manchmal länger, manchmal weniger lang. Einige behalten gewisse Ängste ihr Leben lang.
Man muss sich also wirklich Gedanken dazu machen und auch darauf gefasst sein, dass es schwierig werden kann.
Für die Hunde ist es richtig doof, wenn sie dann das ganze auf sich nehmen mussten und dann, kaum haben sie sich langsam ein wenig an das ganze hier gewöhnt, wieder abgeschoben werden, weils den Adoptanten zu langsam ging oder zu viel Arbeit bereitete.
Das ist auch für den Verein blöd, der jetzt neue Adoptanten oder eine Pflegestelle für den Hund suchen muss. Der Hund muss wieder umziehen, wieder alles neu, fremde Menschen, anderes Haus usw. Vermutlich würde er sich wünschen, in Spanien geblieben zu sein.
So kam es mir zumindest vor, als ich Raisa das erste mal sah. Und auch bei Rosalie war es so. Das Leben in den Augen war irgendwie weg. Trautigkeit, Sorge, Unsicherheit und Angst war in den Augen zu sehen.
Und ich glaube sehr wohl, dass es mit den armen Seelen was macht, wenn sie so rumgeschoben werden und gar nie richtig wissen, wies jetzt weitergeht, was als nächstes kommt usw.
Und nun? Mein Fazit? Hund direkt aus dem Ausland? Ja? Nein?
Schlussendlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Ich wünsche mir einfach, dass man sich das VORHER gut überlegt und Plan B, C und D hat, falls es nicht so kommt, wie man sich das gedacht oder erhofft hat. Und ich wünsche mir, dass die Menschen Geduld mit den Hunden haben, sich auch mal in ihre Lage versetzen und überlegen, wie es ihnen dabei gehen würde und was man sich in solchen Momenten vielleicht wünschen würde.
Also, Direktadoptionen ja aber bitte gut überlegt und geplant.
Auch wenn man schon mal einen Hund aus dem Ausland direkt adoptiert hat und alles super lief, ja das gibt es natürlich auch aberan muss immer daran denken, dass beim nächsten alles anders sein kann.
Und wenn man sich das nicht zu traut, was übrigens völlig okay ist, schaut man sich am besten mal in unseren Tierheimen um. Auch da warten tolle Hunde auf ein zu Hause. Oder wie gesagt, man schaut nach Hunden, die bereits auf einer Pflegestelle sind.
Auch das hilft, denn wenn der Platz auf der Pflegestelle frei wird, kann ein neuer Hund diesen Platz einnehmen
Natürlich hoffe ich, noch ganz vielen Galgos in ein neues zu Hause zu helfen. Ob Direktadoption oder über eine Pflegestelle, ich freue mich für jeden, der sein "fürimmerzuhause" gefunden hat❤️🙏

Kommentare